Während der Pandemie hat sich ein Trend entwickelt: Training im Aufstellpool mit Neoprenanzug und Widerstandsseil. Dabei wurde der Anschein erweckt, diese Methode könne eine ernsthafte Trainingsalternative zu bieten. Ich habe mich gefragt, ob so ein Training wirklich sinnvoll ist, wie man es sinnvoll gestalten kann und warum andere Übungen vielleicht besser sind.
Zu einem Training im 25- oder 50-Meter-Becken (so groß sind Standard- Schwimmbecken) bzw. Freiwassertraining am See gibt es keine Alternative. Genauso wenig wie ein Ergometertraining eine Radausfahrt ersetzt oder ein Laufband eine Runde im Wald. All das sind ergänzende Trainings in bestimmten Phasen der Trainingsplanung bzw. des Trainingsjahres. Genauso solltest du auch Training am Widerstandsseil sehen: Schwerpunkttrainings, um gezielt an bestimmen Themenfeldern zu arbeiten!
Bei einem Training am Zugseil oder mit der Gegenstromanlage fehlen mir wesentliche Aspekte des Schwimmens:
- Wasserlage: Mit Neoprenanzug kann ich keine Wasserlage trainieren. Ich kann eine schlechte Wasserlage kaschieren und ausgleichen, aber ich kann keine Wasserlage verbessern. Der Neo verleitet eher dazu, noch weniger Körperspannung aufzubauen, weil man ja eh oben bleibt. Damit ist dann aber der Kraftfluss durch den Körper für die nächsten beiden Punkte auch suboptimal.
- Auftrieb: Auftrieb entsteht durch Wasserlage sowie Vortrieb und Anströmung durch das Wasser. Ähnlich dem Gleichgewicht beim Radfahren. Erst durch Antrieb entsteht dynamisches Gleichgewicht. Beim Schwimmen „am Stand“ schafft man diesen Auftrieb schwer bzw. ist es nicht mit dem Auftrieb vergleichbar, der durch echte Vorwärtsbewegung entsteht.
- Vortrieb: Beim Schwimmen entsteht Vortrieb durch den Abdruck vom Wasser – je stärker und dynamischer, desto schneller. Wichtig ist die Beschleunigung der Armbewegung in der Unterwasserphase. Mit Zugseil oder Gegenstromanlage drücke ich aber nur so weit ab, bis ich ein Gleichgewicht zwischen Widerstand und Abdruck erreicht habe. Es entsteht dann keine Beschleunigung mehr, sondern nur noch ein gleichmäßiges Schwimmen am Stand. Das macht mich über die Zeit langsamer – und nicht schneller.
- Technik: beim Schwimmen am Stand lässt sich auch das Techniktraining nur schwer realisieren. Im Regelfall schwimmt man bei Technikübungen langsamer als normal. Also müsste sich der Widerstand am Seil bzw. die Gegenstromanlage automatisch regulieren und an die Übung anpassen. Weiters schwankt das Tempo während der Übungsausführungen stark, z.B. beim einarmigen Schwimmen: unter Wasser wird beschleunigt (gegen den Widerstand), in der Rückholphase des Armes treibe ich dann wieder zurück. Ich schwimme also nicht am Stand, sondern vor und zurück.
Insgesamt ersetzt ein Training am Seil oder der Gegenstromanlage also keinesfalls ein vollwertiges Schwimmtraining im Sportbecken. Es kann aber eine sinnvolle Ergänzung sein, um bewusst an einigen Technikfehlern zu arbeiten.
Überlege nicht, wie du dein normales Training am Widerstandsseil machen kannst. Überlege, wie du das Widerstandsseil optimal nutzen kannst.
Training mit dem Widerstandsseil
Montage
Bevor du das Training beginnst, muss das Seil richtig montiert werden. Normalerweise gibt es einen Hüftgurt sowie ein Ankerstück, das an einem festen Punkt montiert wird. Das ist im Bad zumeist der Startsockel. Solltest du gerade keinen daheim haben, dann nimm einen Baum oder Masten, der fest im Boden verankert ist. Keinesfalls an etwas montieren, das sich lösen und dann in den Pool stürzen kann! Wichtig ist auch, den Ankerpunkt erhöht zu setzen, ca. 50 cm bis 100 cm über der Wasseroberfläche. Setzt du den Ankerpunkt an die Wasseroberfläche, dann wirst du mit den Füßen gegen das Seil kicken und dich möglicherweise verfangen.
Sculling/Wischen/Wriggen
Wischübungen sind für mich Teil jedes Warm-ups beim Schwimmen. Wischübungen helfen dir, Wassergefühl zu entwickeln, zu verbessern und zu erhalten. Gerade wenn du wenig Zeit und Platz zum Schwimmen hast, solltest du darauf keinesfalls vergessen! Wichtig bei den Wischübungen ist, konstant Druck ins Wasser zu bekommen. Und damit kannst du auch gut am Widerstandsseil arbeiten. Fixiere einen Punkt unter dir im Becken und bleib genau darüber.
Kraul: frequenzorientiert
Wie schon beschrieben solltest du beim Kraulen konstant Vortrieb erzeugen, d.h. es gibt keine Totpunkte in der Bewegung. Wenn du zu lange gleitest, wirst du langsamer. Am Widerstandsseil wirst du das schön bemerken, wenn es dich immer wieder in der Gleitphase zurückzieht. Versuche, deine Frequenz etwas zu erhöhen und nimm dafür die Gleitpausen heraus. Somit solltest du wieder konstant über einem Punkt unter dir bleiben. Wenn du mehr Widerstand hast, wirst du automatisch die Frequenz erhöhen und die Gleitpausen reduzieren!
Kraul: Abdruckbewegung
Wie schon beschrieben zieht dich das Widerstandsseil immer wieder zurück, der Widerstand wird größer, wenn mehr Spannung am Seil ist. Diesen Effekt kannst du auch nutzen, um gezielt und bewusst die Beschleunigung der Unterwasserphase und damit den Abdruck zu trainieren. Fang mit dem lockeren Seil bzw. wenig Spannung an und versuche, die Armzüge maximal zu beschleunigen und möglichst weit nach vorne zu kommen.
Kraul: Richtung und Orientierung
Diese Übung dient dazu, ein bisschen in dich und deine Fehler hineinzuspüren. Schwimme einfach mit geschlossenen Augen. Im Pool daheim, am Seil kannst du weder irgendwo dagegen- noch in jemanden hineinschwimmen. Also trau dich! Wenn du nach 20 bis 30 Sekunden die Augen aufmachst, kannst du mal schauen, wo du bist. Ganz links, ganz rechts, eh gerade? Über das Seil wirst du wahrscheinlich spüren, wenn du schief schwimmst. Aber genau darum geht es: Du merkst, dass du schief schwimmst und arbeitest daran! Damit kannst du Dysbalancen in den Armzügen erkennen und ausgleichen. Das Gleiche kannst du dann später im Freiwasser machen und schauen, ob du auf deiner Linie geblieben bist. Das sind mal einige Ideen für sinnvolle Übungen mit dem Widerstandsseil auf minimalem Raum.